Wie der Leistungsdruck unseren Kindern die Kindheit raubt

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Als wäre unsere Leistungsgesellschaft für erwachsene Menschen nicht bereits eine kaum bezwingbare Herausforderung, so zeichnet sich jüngst jedoch ein besorgniserregender Trend im Bereich der Kindererziehung ab, der schwerwiegende Folgen für die Entwicklung unseres Nachwuchses haben kann. Dass die erste Fremdsprache bereits im Kindergarten gelernt wird, scheint normal, der darauf folgende Klavierunterricht ist ohnehin obligatorisch – und wem das noch nicht reicht, der lässt seine Sprösslinge einmal pro Woche den Frühchinesisch-Kurs besuchen. So oder so ähnlich sieht aufgrund des Leistungswahns, der unser aller Leben erfasst, der exakt durchgeplante Tagesablauf vieler Kinder aus, was die Alarmglocken führender Sozialforscher, die sich für die Verfassung des Buches „Wie Kinder heute wachsen“ verantwortlich zeigen, klingeln lässt.

Kreative Langeweile statt Förderwahn

Dass dieser Förderwahn eher Schaden anrichtet als tatsächliche Vorteile mit sich bringt, ist allerdings nur den wenigsten Eltern bekannt. Insbesondere in der frühen Kindheit ist es von großer Bedeutung, dass Kinder lernen auf eigenen Beinen zu stehen und eigene Entscheidungen zu treffen – nur so ist eine stabile Persönlichkeitsentwicklung möglich. Im Zuge des straff organisierten Alltags der sogenannten Kindheit, die viele Kinder „durchleiden“, bleibt das Kindsein mit all seinen Facetten traurigerweise häufig auf der Strecke. Zur Entwicklung grundlegender sozialer Kompetenzen ist es bedeutsam, dass Kindern ein gewisser Freiraum gewährt wird, innerhalb dessen sie kreativ sein und nach eigenen Vorstellungen mit anderen Kindern interagieren können. Selbst das gepflegte „Nichtstun“ trägt zur individuellen Persönlichkeitsentwicklung bei, da Ihr Kind lernt, sich selbstständig ohne Anleitung zu beschäftigen.

Helikopter-Eltern schaden ihren Kindern

Insbesondere das Phänomen der „Helikopter-Eltern“, die ihr Kind nach Möglichkeit immer in einhundertprozentiger Sicherheit wissen wollen, trägt dazu bei, dass bei vielen Jungen und Mädchen die Entwicklung wichtiger Charaktereigenschaften zurückbleibt. Erinnern Sie sich an Ihre Kindheit und daran, was sie in Ihrer Freizeit gemacht haben. Das unbeaufsichtigte Klettern auf Bäume, das Bilden von Banden sowie die „Organisation“ von Äpfeln aus Nachbars Garten sind nur einige Beispiele, die in der Kindheit vieler Erwachsener zum Alltag gehörten und einen wertvollen Teil zur Persönlichkeitsentwicklung beitrugen. Für übervorsichtige Eltern ist es ein Graus, den eigenen Sprössling unbeaufsichtigt zu wissen, doch ohne dass sich Kinder auf eigenen Beinen bewegen, werden sie sich und ihren Körper niemals wirklich kennenlernen können. Nicht umsonst stellen Mediziner bei Schulanfängern Jahr für Jahr vermehrte motorische Defizite fest.

Lernmedien bremsen die Persönlichkeitsentwicklung

Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Sozialforscher in Bezug auf den Einsatz elektronischer Medien als Lehrmittel. Zwar ist es zutreffend, dass sich Inhalte in Abhängigkeit zur Anzahl der bei der Informationsaufnahme beteiligten Sinne besser verarbeiten lassen, dies bedeutet jedoch nicht, dass der Einsatz von Lernsoftware im Rahmen der frühkindlichen Erziehung das richtige Mittel zur Wissensvermittlung ist. Vielmehr ist der erhöhte Medienkonsum auch in Form von „Lernhilfen“ für jüngere Kinder eher kontraproduktiv, da diese Medien einen Hemmschuh für die soziale, kognitive und emotionale Entwicklung Ihres Kindes darstellen. Unter dem Strich steht somit die Erkenntnis, dass wir unsere Kinder auch im Kontext unserer nach Leistung gierenden Wissensgesellschaft nicht überfordern und ihnen eine Kindheit ermöglichen sollten, wie auch wir sie noch genießen durften.

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