Endlich einmal wieder eine Nacht durchschlafen – das ist der größte Wunsch vieler Eltern von Säuglingen und Kleinkindern. Wochenlang ohne Schlaf stoßen völlig übermüdete und verzweifelte Eltern an ihre Grenzen. Kurz vor dem totalen Zusammenbruch greifen sie nach jedem Strohhalm, der sich bietet. Als letzte Option verabreichen immer mehr Eltern ihren Kindern daher Schlaf- oder Beruhigungsmittel.
Kleinkinder und Schlafen
Eine Kombination, die häufig einfach nicht funktionieren mag. Eltern sein ist nicht einfach. Zwar ist die gemeinsame Zeit mit dem eigenen Kind das Schönste, was es auf Erden gibt – aber es kann auch die Hölle sein. Denn ein Kind, das einfach nicht schlafen will und Tag und Nacht weint und quengelt, kann zu einer wahren Belastungsprobe für die gesamte Familie werden. Kinder, die nicht schlafen wollen, sind keine Erscheinung der Neuzeit, schon aus dem Mittelalter ist bekannt, dass verzweifelte Eltern ihre Kinder mit Alkohol oder anderen Hilfsmitteln ruhiggestellt haben, um endlich zur Ruhe zu kommen. Neuerdings geht der Trend zu frei verkäuflichen Schlafmitteln. Doch sind sie die geeignete Lösung für Kinder?
„Wundertropfen“ für Kinder
Wer schon einmal mehrere Nächte in Folge kaum geschlafen hat und deshalb andere Dinge wie Beruf und Haushalt vernachlässigt, kennt das Dilemma, das ein Schlafentzug mit sich bringt. Da ist es verständlich, dass übernächtigte Eltern irgendwann bereit sind, alles zu probieren, was irgendwie Hilfe verspricht. Immer mehr Mütter geben in Onlineforen zu, ihren Kindern „Wundertropfen“ zum Schlafen zu geben, wenn sie nicht mehr weiter wissen.
Zwar fühlen sich die meisten nicht ganz wohl bei der Sache, berufen sich dann aber darauf, dass diese Mittel schließlich nicht verschreibungspflichtig sind und daher wohl auch kaum gefährlich sein können. In der Tat sind eine ganze Reihe frei verkäuflicher sogenannter therapeutischer Mittel auf dem Markt, die für Kinder zugelassen sind. Meist handelt es sich um pflanzliche Arzneien wie Baldriantropfen oder anderen Pflanzenextrakten. Beliebt sind aber auch sogenannte Antihistamine (wie Doxylamin), die eigentlich zur Behandlung von Allergien eingesetzt werden und beruhigende und Schlaf fördernde „Nebenwirkungen“ haben.
Gefährliche Wundermittel
Grundsätzlich ist es immer ratsam, zunächst einmal mit dem Kinderarzt zu sprechen. Meist gibt es auch Alternativen zu Schlafmitteln. Denn auch bei frei verkäuflichen (rezeptfreien) Arzneien besteht nicht nur die Gefahr einer versehentlichen Überdosierung – selbst pflanzliche Mittel können abhängig machen und gefährliche Nebenwirkungen haben, sodass mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen für die Kinder zu rechnen ist.
Auch in niedrigen Dosen kann ein Beruhigungs- oder Schlafmittel bei Kindern – vor allem bei Kleinkindern und Säuglingen – zu Atemstillstand führen. Leber und Nieren sind sehr anfällige Organe, die bei unkontrollierter Medikamenteneinnahme schnell irreversible Schäden davontragen. Allein die Liste der bekannten Nebenwirkungen ist schier endlos.
Diese Nebenwirkungen müssen nicht auftreten, können aber:
- Krämpfe (Epilepsie)
- Blutarmut (Anämie)
- Kopfschmerzen
- Depression
- Verstopfung
- Übelkeit/Erbrechen
- Durchfall
- Bluthochdruck
- Herzrhythmusstörungen
- Herzmuskelschwäche
- und viele mehr
Zudem werden bei täglicher Anwendung durch plötzliches Absetzen die Schlafstörungen wieder ganz enorm verstärkt.
Wie kommt das Kind ohne Schlafmittel zur Ruhe?
Im Gegensatz zu den Schlafmitteln sind andere Methoden sicherlich der härtere Weg, denn bei allen Alternativen tritt keine sofortige Besserung ein. Einen Säugling oder ein Kind zur Ruhe zu bringen, benötigt konsequente Gewohnheiten und Rituale und etwas Durchhaltevermögen. An erster Stelle geht es darum, vor allem die Einschlafrituale zu ändern. Kinderärzte raten Eltern, Kindern vor dem Schlafengehen keine schweren Mahlzeiten mehr zu geben. Spätestens eine Stunde vor dem Einschlafen sollten Handy, Fernseher oder Tablet tabu sein. Stattdessen können Sie lieber ein gutes Kinderbuch vorlesen.
Wichtig sind weiterhin:
- in geregelter Tagesablauf
- genügend Ruhephasen während des Tages
- rechtzeitig nach Hause kommen
- keine späten Besucher mehr
- feste Zeiten für das Abendessen und Zubettgehen
- Rituale für das Einschlafen finden (wie ein schönes Buch vorlesen)
- eine angenehme Atmosphäre schaffen (gedimmtes Licht und sanftes Streicheln)
- mit dem Kuscheltier oder einer Schmusedecke ins Bett
Sagen Sie Ihrem Kind dann „Gute Nacht“ und verlassen Sie das Zimmer, wenn es ruhig ist. Hat Ihr Kind Angst, lassen Sie die Tür einen Spalt offen oder nutzen Sie ein Einschlaflicht für die Steckdose, damit es sich sicherer fühlt. Es kann einige Zeit dauern, aber es ist sehr wichtig, dass Sie standhaft bleiben.
Ungünstige Gewohnheiten
In den meisten Fällen tragen ungünstige Schlafgewohnheiten ihren Teil dazu bei, dass es zu Problemen beim Ein- und Durchschlafen kommt. Denn: Je aufwendiger die Einschlafhilfe, umso ungünstiger ist sie in der Regel für die Schlafgewohnheiten und das Einschlafen! Kinder, die beispielsweise stundenlang herumgetragen werden, gewöhnen sich schnell daran und können ohne diese Hilfe dann nicht mehr schlafen. Oft schleichen sich diese Gewohnheiten langsam ein, beispielsweise nach einer Krankheit oder einem schlimmen Erlebnis. In diesen Situationen ist es ganz normal, dem Kind etwas mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Wird die Ausnahmesituation jedoch zur Regel und man findet nicht zum normalen Ablauf zurück, kann das zu Schlafproblemen führen, die die Eltern auf Dauer nicht durchhalten.
Wenn nichts hilft
Ist die Situation völlig verfahren und Sie wissen nicht, wie Sie etwas ändern können, dann lassen Sie sich helfen. In der Praxis Ihres Kinderarztes hat man sicherlich ein offenes Ohr für Ihre Probleme. Und überall gibt es Anlaufstellen. Fragen Sie Ihre Hebamme, einen Kinderpsychologen oder wenden Sie sich an eine „Schreiambulanz“, die sich auf Schlafprobleme bei Kindern spezialisiert hat. Ist kurzfristige Hilfe angesagt, nutzen Sie Verwandte oder Freunde, um einmal für ein paar Stunden oder eine Nacht zur Ruhe zu kommen.